So geht „Recycling“ in der Natur: Vogelnest aus „gebrauchten“ Spinnfäden

So geht "Recycling" in der Natur: Vogelnest aus "gebrauchten" Spinnfäden

Wer in diesen Tagen draußen unterwegs ist, sieht es oft schon von Weitem: In vielen Hecken gibt es weite Bereiche, in denen einzelne Sträucher total kahlgefressen – und mit Gespinst überzogen sind. Bei uns im Kraichtal  sind es meist die Pfaffenhütchen, welche davon betroffen sind.

Verursacht werden diese Gespinste meist durch die Raupen der „Pfaffenhütchen-Gespinstmotte“ , einem kleinen Nachtfalter aus der Familie der Gespinstmotten. Der Nachtfalter hat eine Flügelspannweite von knapp 25 mm. Mit diesem Gespinst schützen sich die  Raupen vor Fressfeinden.  Wenn sich diese dann mehrfach gehäutet und sattgefressen haben, ist der Strauch meist kahl. Dann „seilen“ sich die Raupen an Spinnfäden ab und verpuppen sich am Boden. Und das Gespinst bleibt zurück. Zahlreiche Spinnfäden, an denen sich die gelben, dunkel gepunkteten Raupen abseilen und dann im Boden verschwinden, rufen bei manchen Menschen ungute Gefühle hervor, zumal, wenn mehrere Raupen den gleichen Spinnfaden benutzen. So hängen in manchen Hohlwegen tatsächlich ganze „Faden-Vorhänge“, die mit den daran kletternden Raupen wie „Perlenschnüre“ aussehen, an den Böschungen herab. Für die Pfaffenhütchen selbst ist dies zunächst nicht bedrohlich. Denn durch den „Johannis-Trieb“ können die Sträucher zumindest wieder teilweise neue Blätter bilden. Die Tatsache, dass solche Gespinste seit ein paar Jahren vermehrt auftreten, führen einige Wissenschaftler auf wärmere Sommer und mildere Winter zurück.

Doch es gibt jemand, der von diesem Angebot profitiert: Der „Distelfink“ oder „Stieglitz“, wie er auch genannt wird. Das Nest, das aus vielen feinen Materialien besteht, wird oft mit Spinnweben elastisch verflochten und verklebt. An diesem einzeln stehenden Pfaffenhütchen am Rande eines Grabens, das völlig mit dem Gespinst der Raupen überzogen ist, sind mehrere Paare von Distelfinken unterwegs, die sich hier am Gespinst schadlos halten. Die mühsame Suche nach Spinnfäden, wie man sie bei Distelfinken oft beobachten kann, entfällt hier.

Wie bei den Distelfinken üblich, kommen immer beide Partner gemeinsam bei der Materialsuche zum Pfaffenhütchen.  Dabei geht es ihnen nicht darum, etwa im Gespinst verbliebene Raupen abzusammeln; sie machen sich direkt an das Gespinst, ziehen  einzelne Fäden heraus, formen sie zu kleinen weißen Kugeln und fliegen dann damit zum Nest zurück.

Immer wieder kommen sie zum Pfaffenhütchen zurück und holen neues Material. Im rechten Bild sieht man, wie einer der Altvögel (Männchen und Weibchen lassen sich vom Aussehen her nicht unterscheiden) gerade einen Spinnfaden vom Gewebe gelöst hat und mit dem Schnabel herauszieht. Auch beim zweiten Altvogel kann man erkennen, dass die Distelfinken kein zusammenhängendes Spinngewebe holen, sondern Faden für Faden im Schnabel zu einem Kügelchen „aufspulen“.

Die Spinnfäden werden dann im Nest verflochten, und es kann ein äußerst elastisches und weiches Nest werden, das durch Haare, feine Hälmchen, Moos und Federn zusätzliche Polsterung erhält.  Wo vor Tagen noch ein undurchdringliches, schmutzig-weißes Gespinst den gesamten Strauch eingehüllt hatte, ist jetzt daraus ein löchriges Gebilde geworden, das in den nächsten Tagen weiter abgebaut werden wird. Eines von vielen Beispielen, mit denen uns die Natur aufzeigt, wie einfach  „Recycling“ eigentlich geht.   ……

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