Sie wollen noch gefüttert werden: Ästlinge der Waldohreule

Sie wollen noch gefüttert werden: Ästlinge der Waldohreule

Seit Tagen sitzen die jungen Waldohreulen in den verschiedensten Bäumen und Sträuchern in einem Gartengrundstück am Rand des Ortskerns einer Gemeinde im Kraichtal. Der große, vorbildlich gepflegte Garten bietet mit seinen Sträuchern und Bäumen ideale Bedingungen für viele Tiere. Zudem gibt es in der Nachbarschaft noch Geflügelhaltung und offene Scheunen, in denen zahlreiche Tiere Schutz und Brutmöglichkeiten finden. Solche offenen, kleinstrukturierten Lebensräume mit altem Gebüsch- und Baumbestand mögen Waldohreulen. Hier kann man sie öfter antreffen als mitten in einem dichten  Wald. Lediglich der Waldrand mit dem Anschluss an die offene Kulturlandschaft ist ein ebenso beliebter Lebensraum, wie dies in großen Gärten, Anlagen und Parks der Fall ist.

Dass sich junge Waldohreulen tagsüber in Büschen, Hecken und Bäumen verstecken, ist völlig normal. Sie können noch nicht selbst auf die Jagd gehen, haben zwar das Nest verlassen, bleiben aber gut versteckt auf Ästen sitzen. Daher auch der Name „Ästlinge“.  Aufgewachsen sind sie meist in verlassenen Krähen- oder Greifvogelnestern. Bei diesen 6 Ästlingen  ist der genaue Brutplatz aber  nicht bekannt. Dafür gibt es in der Umgebung einfach zu viele Möglichkeiten – sogar eine Gebäude-Brut in einer der offenen Scheunen wäre in diesem Fall möglich.  Nach 2-3 Wochen beginnen die Jungeulen normalerweise das Nest zu verlassen. Bis dahin bleibt das Weibchen bei den Jungen und bewacht sie dort, während das Männchen die Nahrungsversorgung übernimmt – und im Notfall bei der Verteidigung mithilft.  Als Ästlinge werden sie von den Eltern ab der Dämmerung gefüttert. Dann zeigen sie den Eltern durch lautes Fiepen und Rufen ihren Standort an. Dies erfolgt oft während der gesamten Nacht – nicht immer zur Freude der menschlichen Nachbarn.

Waldohreulen sind etwa so groß wie ein Waldkauz. Die Waldohreulen sind aber schlanker als der Waldkauz und auch viel leichter. Typisches Merkmal sind die Federohren, welche auch bei den Jungeulen schon als Federbüschel erkennbar sind. Die Federohren haben aber keinen Einfluss auf das Hören. Ein besonderes Kennzeichen ist die leuchtend orangefarbene Iris der Augen. Diese Ästlinge tragen noch ihr dünnes Daunengefieder. In den nächsten Wochen und Monaten  bekommen sie ihr braunes, gemustertes und gebändertes Gefieder. Dadurch sind sie in den Bäumen hervorragend getarnt.

Ernährung der Waldohreulen

Waldohreulen jagen während der Dämmerung und der Nacht. Ihr Gefieder ermöglicht ihnen einen geräuschlosen Beuteflug. Dabei fliegen sie knapp über dem Boden. Der Standort der Beute wird optisch und akustisch wahrgenommen. Die Struktur ihrer Kopf- und Gesichtsbefiederung verleiht ihnen ein ausgezeichnetes Gehör. Hauptsächlich jagt sie Mäuse. Wühlmäuse und Feldmäuse gehören ebenfalls in ihr Beuteschema. Auch Insekten oder Regenwürmer werden gefressen. Bei Nahrungsknappheit stehen auch Kleinvögel auf ihrem „Speisezettel“. Während die Jungvögel die Nahrung von den Eltern stückweise angeboten bekommen, schlingen die Altvögel die Beute in großen Stücken oder ganz hinunter. Alle Teile der Nahrung, die von den Verdauungssäften nicht abgebaut werden können, müssen dann ausgewürgt werden. Man nennt die ausgewürgten Teile dann „Speiballen“ oder „Gewölle“. Diese sind mit Haaren umgeben. Dadurch können sie beim Auswürgen keinen Schaden anrichten. Anhand des Inhaltes der Speiballen oder Gewölle kann man die Beutetiere der Eule bestimmen. Man kann die Gewölle in Wasser legen. Dann lösen sich die Haare von den Knochen – und man kann die enthaltenen Knochen herausholen und bestimmen. Dankenswerterweise bekam ich das Gewölle – und die aus früheren Gewöllen bereits herausgelösten Knochen – von den Besitzern des Gartens zur Dokumentation in diesem Beitrag geschenkt. Danke nochmals dafür!  Während aus dem linken Gewölle noch einige Knochen herausragen, kann man auf dem rechten Bild mehrere Knochen von Mäusen erkennen, darunter auch drei Unterkiefer (einer davon nur als Bruchstück).  So ist es möglich, dass man aus dem Inhalt eines Gewölles auf die Ernährung der Waldohreule schließen kann. Damit man die Größe abschätzen kann, wurden das Gewölle und die Knöchelchen auf ein kariertes Papier gelegt ( 2 Quadrate auf dem Papier sind 1 cm lang ).

Die Bildergalerie zeigt die Ästlinge in einem Kirschbaum und in einem großen Haselnussstrauch. Sie sind es durch die Gartenarbeit der Besitzer gewohnt, dass Menschen in ihre Nähe kommen und verhalten sich völlig unaufgeregt, wenn sie beobachtet werden.

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